Sandra Michels Life Coaching
Heilpraktikerin für Psychotherapie
Das Karpman Dreieck (Drama-Dreieck)
und wie wir aussteigen können
Immer wieder stoße ich im Praxisalltag auf dieses Thema. Denn immer dann, wenn wir ein Problem in einer Beziehung (egal welcher Art) haben, existiert dieses Dreieck. Ein wichtiger Schritt für ein leichteres, freudvolleres Leben ist daher die Bewusstwerdung dieses Dreiecks und das dadurch resultierende neue Verhalten im Alltag. Ich wünsche wunderbare Erkenntnisse mit dem Karpman-Dreieck!
Niemand von uns würde gerne von sich behaupten, dass er ein Opfer oder ein Verfolger ist. Lediglich die Rolle des Retters ist sozial anerkannt und geachtet. Trotzdem befinden wir uns alle, meist unbewusst, in einer oder mehreren Verfolger- oder Opferrollen und natürlich Retterrollen.
Solange wir uns in einer dieser unbewussten Rollen befinden, können wir nicht unser wahres Selbst leben, d.h. nicht nach dem Urmuster mit dem wir auf die Welt gekommen sind. Dies führt langfristig zu Unwohlsein und Krankheit, womit uns unsere Körper-Geist-Seele-Einheit immer wieder auf die Abweichung von unserem Urmuster aufmerksam machen möchte.
Das Opfer
Wir fühlen uns als Opfer, wenn wir von den Meinungen oder Handlungen anderer Menschen abhängig sind, z.B. von der Reaktion unserer Eltern, unseres Vorgesetzten oder unseres Partners. Auch wenn wir uns dem Leben gegenüber selbst ausgeliefert fühlen, z.B. dem Stress, dem Wetter, der Politik, fühlen wir uns verfolgt. Leben wir in der Opferrolle fühlen wir uns schwach, klein, unverstanden, bedürftig, ängstlich, ausgeliefert und hilflos. Die Schuld dafür wird meist dem Verfolger zugeschoben: „Wenn mein Chef netter zu mir wäre, dann wäre ich nicht so krank.“ „Wenn mein Partner mir mehr Aufmerksamkeit schenken würden, dann ginge es mir besser.“ „Der Stress macht mich krank.“
Das OPFER sagt:
Ich kann das nicht …
Ich würde gerne…
Ich schaffe das nicht…
Ohne Dich kann ich nicht leben…
Ich brauche Dich…
Lebt man längere Zeit in einer oder mehreren Opferrollen, kann man das an der traurigen oder weinerlichen Stimme, der gebückten Körperhaltung, depressiven Störungen und am Selbstmitleid erkennen. Dies ist die äußerliche Verstärkung der unbewussten Hilfesignale.
Das Opfer hat das Gefühl sich im Kreis zu drehen, was letztendlich genau so ist. Erst in dem Moment, in dem das Opfer (oder eine der anderen Rollen) seine Rolle verlässt kann der Teufelskreis durchbrochen werden. Dazu ist es erforderlich zu erkennen, dass das Opfer immer nur bei sich selbst mit einer Veränderung beginnen kann. Die Schuldfrage bringt niemanden weiter und verhaftet uns im Negativen. Egal wer unser Verfolger ist, ob es ein Vorgesetzter, der Partner oder einfach der Stress ist, daran können wir nur wenig ändern.
Nur wenn wir ganz bewusst aus dieser Rolle aussteigen und wieder in unsere eigene Kraft und somit letztendlich in unsere eigene Verantwortung kommen, kann Heilung geschehen.
Der Verfolger
Wir sind Verfolger, wenn wir jemanden kontrollieren und kritisieren, z.B. unsere Kinder, unsere Mitarbeiter oder unseren Partner. Aber auch die Kritik von Gesellschaft, Politik, Völkergruppen, Religionen oder sonstigen Gruppierungen gehört zur Verfolgerrolle.
Der Verfolger macht bewusst oder unbewusst anderen Vorwürfe, kritisiert sie, setzt sie unter Druck und nimmt keine Rücksicht auf die Wünsche anderer.
Der VERFOLGER sagt:
Du bist zu schwach…
Du bist zu dumm…
Das schaffst du nie/Das schaffen die nie…
Immer machst Du/machen sie…
Wie oft muss ich Dir noch sagen…
Lebt man länger in einer oder mehreren Verfolgerrollen wird man leicht ärgerlich, wütend, ungeduldig und aggressiv.
Hinzu kommt, dass wir uns sogar selbst verfolgen. In einem inneren Dialog kommentieren und kritisieren wir unsere Gedanken, Worte und Handlungen. Oft in den gleichen Worten, wie es unsere äußeren Verfolger getan haben oder tun. Dieser innere Verfolger ist die Verstärkung der äußeren Verfolger und somit auch der stärkste Verfolger. Leben wir lange in dieser Rolle schwächen wir uns damit sehr und fühlen uns minderwertig und schlecht.
Der Retter
Die Rolle des Retters ist gesellschaftlich anerkannt und fühlt sich im ersten Moment für uns sehr postitiv an.
Wir sind ein Retter, wenn wir jemandem helfen und ihn unterstützen. Ein Retter macht uns Mut und baut uns auf. Er nimmt uns unsere Arbeit und unsere Verantwortung ab und erledigt Dinge für uns, die uns unangenehm sind oder die wir uns nicht zutrauen.
Der RETTER sagt:
Ich helfe dir…
Komm, ich mach das für dich…
Ich bin für dich da…
Zusammen schaffen wir das…
Wenn wir in der Retterrolle leben, dann kümmern wir uns um den anderen und reagieren fürsorglich, hilfsbereit, mitfühlend und verständnisvoll.
Auch wenn alle diese Aspekte die Eigenschaften eines „guten Menschen“ beschreiben, ist es nicht nur positiv zu sehen. Wenn wir in einer Beziehung (Partnerschaft, Kinder, Mitarbeiter…) immer nur die Retter-Rolle übernehmen, machen wir den anderen automatisch zum Opfer und nehmen ihm die Möglichkeit aus der Opferrolle auszusteigen und selbst die Verantwortung zu übernehmen.
Solange ein Retter da ist, ist es viel leichter in der Opferrolle zu bleiben, als aktiv zu werden und wieder in die eigene Kraft zu gehen.
Auch für den Retter selbst ist diese Rolle auf lange Sicht sehr kräftezehrend, denn die Energie, die er für sich selbst aufbringen sollte, um ein ausgeglichenes Leben nach seinem Urmuster zu führen, bringt er für Andere auf.
Sicher kennen Sie den Begriff „Helfersyndrom“, welches Menschen beschreibt, die sich für Andere aufopfern und ständig retten möchten. Diese Menschen erwarten, unbewusst oder bewusst, auch Anerkennung und Dankbarkeit von den Opfern. Wenn sie diese nicht erhalten, sind sie enttäuscht und frustriert. Langfristig führt das Beibehalten der Rolle auch für den Retter zu Unwohlsein und Krankheit.
Oft lenkt die Retterrolle auch von den eigenen Problemen ab, da man ja mit den Problemen der anderen so beschäftigt ist.
Hilfe sollte daher immer in Form von Hilfe zur Selbsthilfe geschehen. Dies bedeutet, dass ich den anderen motiviere und unterstütze, um ihm dann zuzutrauen, dass er den Rest in eigener Verantwortung gut erledigen kann. Dann helfe ich keinem Opfer, sondern einem Menschen, der momentan Unterstützung benötigt, um danach selbst weiterzulaufen.
Dies ist besonders in der Therapie wichtig. Damit Heilung geschehen kann, traue ich dem Klienten zu, dass er nur einige Inspirationen benötigt, um danach potitiv gestärkt allein weiterzumachen.
JEDER von uns spielt alle drei Rollen!
Ich bin sicher, dass sich jeder beim Lesen in allen drei Rollen wiedergefunden hat.
Einige Beispiele im Bezug auf Kinder:
Wenn ich meine Kinder kritisiere, bin ich in der Verfolgerrolle: Halte dich gerade! Konzentriere dich! Bleib ruhig sitzen! Was hast du denn jetzt schon wieder angestellt?
Wenn ich über mein Kind klage, bin ich in der Opferrolle: Wenn er/sie diese Wutanfälle bekommt, dann bin ich völlig hilflos und weiß nicht mehr weiter. Er/Sie kann sich gar nicht konzentrieren, was soll ich denn da machen?
Wenn ich meinem Kind alles abnehme und ihm nichts zutraue, bin ich in der Retterrolle:
Komm her, das kannst du noch nicht. Das dauert viel zu lange bei dir, ich mach das. Ich spreche mit der Lehrerin, das mußt Du nicht selbst machen.
Das bewusste Aussteigen aus dem Karpman-Dreieck:
In dem Moment, in dem eine Person aus dem Dreieck aussteigt, bricht dieses zusammen.
Wo kein Verfolger mehr ist, ist kein Opfer mehr, wird also kein Retter mehr benötigt.
Wo kein Opfer mehr ist, hat der Verfolger keine Macht mehr. Kein Retter ist nötig.
Wo kein Retter mehr ist, muss das Opfer die Verantwortung wieder übernehmen. Der Verfolger verliert an Macht.
Da wir uns in allen drei Rollen befinden, kann das Aussteigen nach den gleichen Regeln stattfinden. Die wichtigste aller Regeln heißt dabei:
Niemals aufgeben und immer wieder von vorne anfangen, wenn es nicht direkt gelingt! Wenn wir schon lange in den Rollen leben, fällt es uns nicht leicht auszusteigen. Man benötigt 21 Tage, um eine neue Verhaltensweise zu erlernen und auch dann fällt man noch ab und zu, in alte Muster zurück. Seien Sie also geduldig mit sich selbst.
Die Aussteigerregeln:
• Keine (unbewussten) Vorwürfe, keine (unbewussten) Beschwerden, keine (unbewusste) Kritik (an Eltern, Partner, Kinder, Vergangenheit, Tieren, Wetter, Politik, Religion und vor allem sich selbst) äußern. Beginnen Sie dabei mit den äußeren Vorwürfen und Beschwerden. Die inneren Programme laufen dann zwar noch eine Zeit lang weiter, werden sich aber nach und nach anpassen. Der erste Schritt ist also die Überprüfung und Anpassung der Worte und Taten. Steigen Sie aus der Verfolger- oder Opferrolle ganz bewusst aus.
• Wenn Kritik erforderlich ist, können Sie diese klar und sachlich ausdrücken, ohne den anderen zu verletzen. Vermeiden Sie dabei Sätze wie: Nie machst Du…, Immer machst Du…, Wie oft habe ich Dir schon gesagt… Verwenden Sie stattdessen die Formulierung: Ich fühle…
• Sich nicht in die Opferrolle drängen lassen. Keine Vorwürfe, keine Beschwerden, keine Kritik von anderen oder sich selbst ungeprüft annehmen. Prüfen Sie in diesem Fall die Kritik. Wenn Sie dabei eine Anpassung oder Verbesserung für Ihr Leben in der Kritik erkennen können, danken Sie dafür. Unberechtigte Kritik können Sie liebevoll wieder an den Kritiker zurückgeben.
• Wenn Sie Hilfe benötigen, können Sie dies klar und deutlich aussprechen, so dass Ihre Mitmenschen keine Retter sind, sondern Helfer für diese konkrete Situation.
• Sich nicht in die Retterrolle drängen lassen. Opfer senden oft durch ihr Verhalten unbewusste Hilfesignale. Helfen Sie nur, wenn jemand sie ganz konkret um ihre Hilfe bittet. Wenn Sie sich unsicher sind, fragen Sie konkret: „Benötigst Du meine Hilfe?“ Helfen sie und gehen Sie anschließend ganz bewusst wieder aus der Retterrolle heraus. Trauen Sie anderen Menschen zu, dass sie sich selbst helfen können.
Quelle: Das Karpman-Dreieck, Götz Renartz, 2007
